
Eine Kolumne von
Mario Heinke,
erschienen im xyzittau Stadtmagazin 2019
Ich bin überzeugter Bockwurstesser. Dafür gibt es neben meiner Herkunft auch andere Gründe. So lässt sich eine Bockwurst unbeschadet essen. Ich muss mich nach dem Essen nicht umziehen, wie das beim Döner passieren kann, wenn die weiße Knoblauchsoße orientalische Muster auf dem T-Shirt hinterlässt. Auch fettige Finger, die beim Bratwurstessen zwangsläufig anfallen, bleiben mir erspart. Bekomme ich zur knackigen Bockwurst aus dem heißen Wasserbad, Bautzener Senf und ein frisches Brötchen gereicht, das eine Backstube von innen gesehen hat, gibt es eigentlich nichts mehr, was den Genuss noch toppen könnte. Leider gibt es landauf, landab immer weniger Imbissbuden, die Bockwurst anbieten.
Die kulinarische Vielfalt im DDR-Imbiss-Sortiment war bekanntlich überschaubar. Neben Bouletten, Schaschlik, Ket- und Bratwurst gab es immer und überall Bockwurst zum Einheitspreis von 85 Pfennig
– in der Kantine bereits zum Frühstück, in der Mensa, im Speisesaal des volkseigenen Betriebes und bei jeder Art von Feiern. Die Zeitung „Die Welt“ bezeichnete in einem Artikel über die
Bockwurst im Allgemeinen und Besonderen die untergegangene DDR als „Nation der Bockwurst-Esser“. Mangels hochwertiger Küchentechnik nutzte man im real existierenden Sozialismus auch einfach mal
eine WM 66, die bekannteste Waschmaschine des Ostens, zur Erwärmung des Grundnahrungsmittels. Die Art der Erwärmung, im Wasserbad bei 70-80 Grad Celsius, spielt jedoch auch in der
bundesrepublikanischen Marktwirtschaft der Gegenwart eine gewichtige Rolle für die Qualität des Endproduktes.
Deshalb aufgepasst: Sollten Sie vorhaben eine heiße Bockwurst beim Fleischer für den sofortigen Verzehr zu erwerben, dann achten Sie darauf, dass die Wurst aus dem heißen Wasserbad kommt. Nimmt
die Fleischereifachverkäuferin eine kalte Bockwurst aus der Auslage, um diese aufzuwärmen, sollten Sie den Kauf sofort abbrechen. Warum? Weil die Verkäuferin erfahrungsgemäß die Bockwurst im
Hinterzimmer in die Mikrowelle steckt. Die Wurst ist nach der Mikrowellenbehandlung meistens lauwarm, aber immer labbrig und schmeckt wie ein Stück alter Gummi. Eine Erfahrung, auf die Sie
getrost verzichten können. Da ist es besser die kalte Wurst zuhause im Topf zu erwärmen.
Empfehlen kann ich die beiden Bockwurstanbieter auf dem Wochenmarkt in Zittau, deren Produktqualität ich wöchentlich abwechselnd teste. Auch der direkte Vergleich ist ein Kinderspiel, denn
praktischerweise stehen sich die beiden Verkaufswagen vor dem Marsbrunnen direkt gegenüber. Mein Appell an Marktbetreiber und Veranstalter lautet: „Rettet die Bockwurst!“ Vielfalt ist schön,
funktioniert aber nur, wenn man seine Wurzeln kennt.